Schlechte Planung und gute Hoffnung

Am Ende von 2013 musste Volkswagen eine groß angelegte Massenrückrufaktion starten, was viele Kunden, natürlich auch den Konzern, sehr verärgerte. Fast 2,5 Mio. Fahrzeuge mussten von ihren Besitzern wegen verschiedener Mängel und potenziellen Funktionsstörungen in Service-Werkstätten gebracht werden. Die Mängelliste, die damals auslag, war lang und reichte von falsch eingefüllten Motoröl, über beschädigte Benzinleitungen, bis hin zu kaputten Sicherungen der Lichtanlage.

Schlechte Planung und gute Hoffnung

Kleine Fehler und große Folgen für Un­ter­nehmen

Will man den Worten von VW Glauben schenken, so war die Rückrufaktion in Europa eher vorbeugender Natur. Wirklich schwerwiegende Probleme lagen wohl nur in Asien vor. Schuld daran seien die dort vorliegenden Klimaverhältnisse. Aber trotzdem: Es war zwar nur der asiatische Markt betroffen, dennoch ist der finanzielle und vor allem der Imageschaden gewaltig.

Ursache und Wirkung

Wie in der Branche und vielen anderen üblich, benutzt auch VW vormontierte Teile, die sie von ihren Zulieferern einbaufertig erhalten. Anscheinend gab es hier bereits Fehler in der Fertigung und die anschließende Qualitätskontrolle versagte zusätzlich. Egal, was genau dabei schief gelaufen war, Volkswagen war im Endeffekt der Leidtragende. In den Köpfen der Endverbraucher bleibt leider nur die Rückrufaktion hängen, nicht der Grund dafür. Kurz und knapp: VW erlitt einen enormen Imageschaden und hohe Folgekosten.

Für größere Unternehmen ist das schon ein herber Schlag und erst recht für kleinere. Sie haben selten Rücklagen, um derartige Fehlerkosten aufzufangen, was in einigen Fällen sogar das wirtschaftliche Aus bedeutet. Umso größer ist die Hoffnung, dass während der Produktion alles gut geht und alle Teile das Werk heil und ohne Mängel verlassen. Alle Mess- und Sichtkontrollen müssen rund um die Uhr einwandfrei funktionieren und dürfen nicht den geringsten Fehler durchwinken. Ob jedoch ein Hoffen und die wenigsten Kontrollstationen auf die Dauer ausreichen, ist fraglich.

Qualitätsmanagement zahlt sich aus

Besser ist es, wenn man bereits zu Anfang alles genau plant und rein gar nichts dem Zufall überlässt. Nicht erst dann, wenn der Übergang in die Serienproduktion ansteht, müssen Produkt- und Qualitätsplanung systematisch ineinandergreifen. Bereits vorm Erstellen des ersten Prototypen lassen sich viele Methoden und Module anwenden, um sicher zu stellen, dass das Endresultat den angestrebten Qualitätsanforderungen entspricht.

Hierzu bietet das Advanced Product Quality Planning (APQP) die Möglichkeit einer vorausschauenden Produktentwicklung, um das kundengerechte Qualitätsniveau optimal zu erreichen. Hierbei treffen mehrere interdisziplinäre Teams aus ganz verschiedenen Bereichen des Unternehmens aufeinander, mit dem Ziel einen genauen Entwicklungs- und Produktionsplan zu erarbeiten. Die Qualitätssicherung zu Gunsten der Kunden steht dabei ganz klar im Vordergrund. Zweites großes Ziel ist ein gut durchdachtes, klar strukturiertes und mit Weitsicht geplantes Vorgehen, was sich stets an alle marktkonformen und industriellen Normen und Standards anpassen lässt.

Um dies zu erreichen, kann man auf bereits bewährte Planungstechniken und Hilfsmittel zurückgreifen. Hierzu zählen unter anderem Process Flow Charts, Kontrollpläne und Checklisten, Design Verifikation Plan & Report (DVP&R), Anforderungsanalysen, Failure Mode and Effects Analysis (FMEA), Merkmalsmatrix und ein durchgängiges Daten- und Methodenkonzept. Derartige Methoden sind ohne Probleme adaptierbar, sodass APQP branchenübergreifend eingesetzt werden kann. Zu beachten ist jedoch, dass nur ein disziplinübergreifendes strukturiertes Verfahren zur Definition und Umsetzung aller notwendigen Maßnahmen zu Produkten führt, die letztendlich den Kundenanforderungen entsprechen.

Deshalb und auch für kürzere Entwicklungszeiten sollte man folgende Punkte nie aus den Augen lassen:

  • Qualitätsplanung: Systemanalyse und Anforderungsmanagement, FMEA, Prozessablaufplan, Control Plan, Prüfplanung
  • Qualitätslenkung: Maßnahmenmanagement, Auditmanagement mittels Audit Software, Dokumentenmanagement, Lessons Learned

 

Besonders wichtig ist hierbei der Prozessablaufplan. Mit seiner Hilfe kann man den ganzen Prozessfluss gestalten und in logische Abfolgen bringen. Alle Phasen, die ein Produkt durchläuft, werden analysiert und dokumentiert. Potenzielle Probleme und Störungsursachen lassen sich anhand der Darstellung des gesamtes Ablaufes und aller nebenläufigen Prozesse, samt deren Zusammenhänge, leichter erkennen und auffinden. Entscheidungen über die richtigen Materialien und benutzerfreundliche Designs sind dabei von grundlegender Bedeutung. Wer sein Produkt von vorn bis hinten kennt, kann es verbessern.

Dokumentationen lohnen

Während der Durchführung einer umfassenden Systemanalyse, bei der alle potenziellen Schwachstellen und mögliche Chancen aufindig gemacht werden, ist die Dokumentation in jeder Phase entscheidend. Ein ausgefeiltes Dokumentenmanagement entscheidet letztendlich über den Wert der ermittelten Daten und Ergebnisse.

Beziehungen zwischen Entitäten und einzelnen Prozessabschnitten müssen klar erfassbar sein. Dabei muss die Dokumentation immer einheitlich sein und jeder, der die Daten benötigt, darauf zugreifen können. Praktisch sind hier Daten-Clouds, sie garantiert absolute Datenkonsistenz. Mehrarbeit und Folgefehler durch doppelte Einträge werden vermieden. Durch Benutzerkonten mit individuellen Zugriffsrechten lässt sich die Bearbeitung vorhandener Daten optimal regeln.

Ist die Basis mit einem durchgängigen Dokumentenmanagement gesichert, lässt sich genau prüfen, ob die gestellten Anforderungen erfüllbar sind oder ob das System modifiziert werden muss. Ein umfangreiches Anforderungsmanagement ist unverzichtbar, um auf die Bedürfnisse hin umzustrukturieren. Je genauer die Anforderungen dokumentiert sind, umso zielgerichteter kann das Maßnahmenmanagement agieren und desto exakter kann dem Kundenwunsch entsprochen werden.

Unverzichtbares Analysetool ist die FMEA. Sie zielt darauf ab, potenzielle Fehler schon am Anfang zu finden, was kürzere Entwicklungszeiten und geringere Entwicklungskosten zur Folge hat. Unverzichtbar während der gesamten Systemanalyse ist auch das Auditmanagement, damit Richtlinien und Normen eingehalten werden. Checklisten und Prüfmethoden sind kein störender Ballast, sondern eine Hilfe. Was ist nützlicher, als ein genauer Fahrplan, der geradewegs zum Ziel führt? Als Leitlinien dienen dabei Control Plan und Prüfplanung. Die im Control Plan festgelegten Prüfverfahren und Toleranzen sind stets einzuhalten, damit die gestellten Qualitätsanforderungen am Ende auch erfüllt sind. Jede kleinste Abweichung muss genau dokumentiert und bezüglich ihrer Auswirkungen bewertet werden.

Planung ist der halbe Weg

Nötige Kenntnisse über Prüfverfahren, deren Planung, Anwendung und Auswertung, sowie zu beachtende Normen lassen sich in verschiedenen Schulungen und Seminaren erlernen. Angefangen bei Grundkenntnissen, über Methodenarten und deren Durchführung, Anpassung an die eigenen Prozessabläufe, bis hin zur Analyse und Bewertung der erhobenen Daten. Alles wird Schritt für Schritt vermittelt. Projektleiter, Führungskräfte, Fachkräfte, Auditoren, Qualitätsbeauftragte sollten mit APQP vertraut sein. Wenn es um die Realisierung von qualitativen Planungsprojekten geht, sind sie die erste Anlaufstelle. Sie sind für die qualitativen Standards der Produkte zuständig. Zudem sie sind verantwortlich für eine lückenlose Dokumentation und stehen in der Pflicht, entsprechende Nachweise zu erbringen.

Und schließlich: Kunden haben ein Recht darauf, dass die Produkte, die sie kaufen, auch funktionieren. Nur so wird ihr Vertrauen in Qualität und Leistung gerechtfertigt. Und nur so können produzierende Unternehmen auf Dauer erfolgreich sein.